Confessions Of An Ex-Trumpet Player

Krasses und wegweisendes Bekenntnis: Ich habe aufgehört, #Trompete zu spielen! Und ich meine damit nicht für heute oder für die Zeit der Quarantäne oder weil ich gerade krank bin, sondern so richtig. Ich will nicht ausschließen, dass ich sie irgendwann mal wieder in die Hand nehme, aber für den Moment tut die Entscheidung ganz gut.

Ich spiele seit 40 Jahren Trompete. Ich war immer genügend talentiert, dass mir das meiste leicht fiel und ich war nie daran interessiert, Großmeistern im Jazz oder in der Klassik nachzueifern. Ich hatte meinen eigenen Stil, habe größtenteils als Solist und in eigenen oft von mir geleiteten Bands gespielt und brauchte mich nie groß mit anderen zu messen. Mein Ton war immer super, meine Musikalität ebenso (und sie ist es nach wie vor). Dafür war ich immer dankbar und zufrieden und ich habe einiges erreicht (wer kann schon von sich behaupten, mit der eigenen Band als Vorgruppe von Blur auf Tour gewesen zu sein oder 2 x mit The Temptations auf der Bühne die Trompete bei „Papa Was A Rolling Stone“ gespielt zu haben). Ich hatte zwar schon immer technische Probleme beim Spiel, konnte damit aber eigentlich leben. Zumindest solange, bis Corona die Welt flutete und mir die Möglichkeit des Home-Offices erschloss. 

Als Social Media Manager im Brotjob konnte ich nun von meinem Studio aus arbeiten und hatte plötzlich Zeit, an meinem Trompetenspiel zu arbeiten. Endlich mal so richtig konkret an die Issues ran. Mein Übepensum stieg von 3 x 30 Minuten pro Woche (zzgl. Bandproben und Auftritte) auf 6 x mehrere Stunden pro Woche (und logischerweise keine Bandproben und Auftritte). Jedoch: Mein „Ansatz“ (so nennt man das im besten Fall inuitive Zusammenspiel von Gesichtsmuskulatur, Lippen, Luftstrom und Trompete) wurde von Tag zu Tag schlechter und schlechter. Ich übte mehr. Es wurde noch schlechter. Mein Ton wurde kläglich, meine Zunge lahm, meine Ausdauer lächerlich. Alles. Wurde. Immer. Nur. Noch. Schlechter.

So nahm ich zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder Trompetenunterricht, bei tollen Leuten! Reiner Grams, Armando Carrillo Zanuy, Nikolaus Neuser, Christian Grabandt: Vielen Dank, es lag nicht an euch, sondern einzig und allein an mir und meinem Körper.

Ich war beim Neurologen (Danke, Fabian Klostermann!) und in der Musikermedizin Phoniatrie der Charité, wo eine fokale Dystonie (neurologische Erkrankung; äußert sich in nicht beeinflussbaren Muskelkontraktionen) nicht ausgeschlossen werden konnte (meine Lippen zittern tatsächlich etwas beim Spielen) und man mich nach Lübeck zu Trompetenproblem-Guru Tobias Füller schickte. Die Alternative wäre Malte Burba gewesen, dessen System ich aber schon mal auf einem Workshop kennengelernt hatte und das mir nicht so liegt. 

Füller gab mir 2 Audienzen und schloss die fokale Dystonie aus. Mein Problem lösen konnte er auch nicht. 

[Im Nachhinein bin ich mir übrigens unsicher, ob es vielleicht doch genau die richtige Diagnose gewesen wäre. Therapie da: Ein kompletter Re-Start des Erlernens des Instruments und eventuell Botox-Spritzen (ja wirklich!). Ich bleibe da dran. Vielleicht sind Gummiboote statt Lippen tatsächlich die Lösung (ja, ja, ich weiß, Botox und Lippenaufspritzungen sind zwei verschiedene Dinge. War überspritzt gemeint).]

Neben der Dystonie-Geschichte gibt es, wenn es euch noch interessiert, ist ja schon recht lang der Post, eine zweite Theorie, warum mir mein Ansatz flöten ging: Der Verfall. Es könnte sein, dass ich jehrzehntelang eine falsche Technik angewendet habe, die mein junger Körper kompensieren konnte. Und irgendwann dann aber nicht mehr. Vielleicht, weil ich zu viel geübt habe, was mein Körper ja so nicht kannte, und dann gestreikt hat. Die alte „falsche“ Technik funktioniert nun nicht mehr. Keine Ahnung, vielleicht könnte ich noch mal Hypnose ausprobieren, wo ich in Trance eine geschlossene Schublade wieder finde und öffne. Falls jemand hier damit Erfahrung hat (Martin Agregado?), freue ich mich über eine Einschätzung dazu. Allerdings müsste es dann doch einen Weg der Neu-Kompansation gegeben haben, meine ich.

Ach ja, und beim Osteopathen war ich auch.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich war bei Pontiac und Pilates, habe ohne Ende tolle Tipps bekommen, von den Lehrern, meinem Bruder Friedemann, der gerade erfolgreich dabei ist, ein ähnliches Ansatz-Problem an der Posaune zu lösen, und aus Foren im Internet, und habe alles angewendet und geübtgeübtgeübt. Nur – wie oben beschrieben – es wurde immer schlechter.

Nun also diese erleichternde Entscheidung. Wie gesagt, ausschließen möchte ich nichts, aber ich sehe mich gerade nicht mehr als Trompeter. Stattdessen möchte ich mich jetzt auf den Bass fokussieren, was bleibt mir anderes übrig ; ) 

Mein Dank gilt:

– meiner Band Transit Elektro, die geduldig der Dinge geharrt hat und bei der jetzt Änderungen anstehen (davon später) 

– Francisco Velvet Francois Riccheri, der mit mir viele, viele Sessions durchgezogen hat (ich war der Meinung, dass vielleicht auch der durch die Corona-Maßnahmen fehlende Wettbewerb mit anderen Musikern zu der Katastrophe geführt hat (dazu gab es in der SZ auch recht am Anfang der Pandemie mal ein interessantes Interview mit dem Posaunisten Nils Lundgren))

– meinem räumlichen Leidensgenossen Jens-Uwe vom https://www.instagram.com/shininglabor/ und meinem Brudi Franz, die nun mittlerweile jahrelang meine Klangforschung aushalten mussten

– allen, die immer mal nachgefragt haben, weil sie drum wussten – allen, die mit Rat, Tat und Tipps oder einfach Trost hilfreich waren (z.B. meine Familie, z.B. Eike and so many more).

PEACE!